Der Sinn des Lebens:
Einleitung
Warum sind wir hier?
Was ist der Sinn des Lebens?
Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Welche ist die richtige von allen Religionen der Welt?
Sind wir mehrheitlich körperliche oder spirituelle Wesen?
Gibt es einen Gott oder nicht - und wenn es ja, wer oder was ist er?
Seit Jahrtausenden setzen sich Menschen mit diesen Fragen auseinander. Kriege wurden geführt wegen diesen Fragen. Aber, so sehr sich die Menschen über diese Fragen auch ihre Köpfe zerbrochen haben (manchmal wortwörtlich), eines haben sie gemeinsam, es sind sehr praktische Fragen.
Hinter dem Steuer
Die Art, wie wir diese Fragen beantworten bildet den Zusammenhang und die Basis für alle anderen Bereiche unseres Lebens. Wenn uns unser Leben etwas wert ist, müssen wir diesen Fragen einige Aufmerksamkeit schenken.
Angenommen Sie haben Ihr Leben rund um Ziele, Projekte und Handlungen aufgebaut. Sie haben ein Ziel wie zum Beispiel ein Online-Geschäft aufzubauen. Sie unterteilen dieses Ziel in Projekte wie das Erstellen eines Business-Plans und Ihrer Webseite. Und dann unterteilen Sie diese Projekte in Handlungen wie Bankwege um ein Geschäftskonto zu eröffnen und die Registrierung Ihrer Domain. So weit so gut.
Aber warum überhaupt das Geschäft starten? Wozu? Warum genau dieses Ziel und nicht irgend ein anderes? Wozu sollte man sich überhaupt Ziele setzen?
Welche Ziele Sie setzen (oder nicht setzen) entscheidet Ihr Kontext. Ihr Kontext ist Ihre Sammlung von Überzeugungen und Werten. Sind die Werte Geld und Freiheit Teil Ihres Kontextes, dann sind Sie wahrscheinlich geneigt sich zum Ziel zu setzen, ein neues Geschäft aufzubauen. Aber mit anderen Werten – einem anderen Kontext – sind Sie vielleicht nicht geneigt, sich überhaupt Ziele zu setzen.
Der wichtigste Teil Ihres Kontextes sind Ihre Überzeugungen über die Wirklichkeit, über die Realität. Dazu gehört Ihre Religion, Ihr spiritueller und philosophischer Glaube. Ihr übergeordneter Glaube über das Universum wird Ihre Ergebnisse maßgebend bestimmen. Ihr Kontext bestimmt Ihre Ziele. Die Ziele bestimmen die Projekte. Die Projekte bestimmen die Handlungen. Die Handlungen bestimmen die Ergebnisse.
Innerhalb eines bestimmten Kontextes wird es für Sie praktisch unmöglich sein, gewisse Ergebnisse zu erzielen, weil Sie sich niemals die erforderlichen Ziele setzen werden, die zu diesen Ergebnissen führen würden.
Ihr Kontext arbeitet wie ein Filter. Wenn Sie innerhalb eines bestimmten Kontextes sind, verlieren Sie den Zugang zu bestimmten Zielen, Projekten und Handlungen, die sich außerhalb dieses Kontextes befinden. Wenn zu Ihrem Kontext zum Beispiel die Überzeugung gehört, dass kriminelles Verhalten schlecht ist, dann werden Sie wahrscheinlich nicht darauf hinarbeiten, der Anführer einer kriminellen Organisation zu werden.
In meinen Schuhen
Das ist eine lange, persönliche Geschichte, aber ich denke sie könnte Sie interessieren. Wenn Sie sich die Zeit nehmen sie zu lesen, möchte ich Ihnen erklären, wie sich meine Überzeugungen (mein Kontext) im Laufe der Zeit verändert haben und wie dramatisch das meine Ergebnisse verändert hat.
Mein halbes Leben lang habe ich nach dem Kontext gesucht, der mir das bestmögliche Leben ermöglicht. Das ist natürlich ein seltsames Bestreben wenn man einen Kontext sucht, während man gleichzeitig immer in einem bestimmten Kontext feststeckt. Anders gesagt, die Definition von „bestmöglichem Leben" ist auch Teil von einem bestimmten Kontext ich muss also einen Kontext finden der sowohl den Begriff vom „bestmöglichen Leben" definiert UND einen Weg bietet, um dort hinzukommen.
Dieses Streben begann bei mir fast zufällig, aber irgendwann begann ich, es bewusst zu verfolgen.
Heiligenschein
In der ersten Hälfte meines Lebens, bis zum Alter von 17, war ich Katholik/Christ, getauft und gefirmt. Ich besuchte ein 8-jähriges katholisches Gymnasium, gefolgt von einer 4-jährigen katholischen Highschool. Ich war mehrere Jahre Pfadfinder und bekam die Auszeichnung „Ad Altare Dei". Ich betete täglich und akzeptierte alles was mir beigebracht wurde als wahr. Ich ging jeden Sonntag mit meiner Familie in die Kirche. Alle meine Freunde und meine Familie waren katholisch, ich wusste also nichts von anderen Glaubenssystemen. Mein Vater war Ministrant als er jünger war und sein Bruder (mein Onkel) war katholischer Priester. Einer meiner Cousins war Mitglied des „Campus für Christus". Auf der Highschool besuchte ich religiöse Wahlfächer und machte freiwillige Dienste in einer Heilanstalt und in einer Vorschule für Kinder mit Behinderungen. Ich ging davon aus, mein ganzes Leben lang Katholik zu sein.
Blasphemische Stimmen
Etwa am Ende meines vorletzten Jahres an der Highschool durchlebte ich eine Erfahrung, die ich am ehesten als ein Erwachen beschreiben würde. Es war, als wäre plötzlich ein neuer Teil meines Gehirns eingeschalten worden, und als wäre ich in eine höhere Bewusstseinsebene katapultiert worden. Vielleicht war das nur ein Nebeneffekt des Reifeprozesses. Ich begann ganz offen die Glaubenssätze die mir seit meiner Kindheit eingetrichtert wurden zu hinterfragen. Es war mir nicht mehr genug, alles blind anzunehmen, was mir beigebracht wurde. Ich wollte hinter die Kulissen blicken, alle Ungereimtheiten ans Tageslicht bringen und sehen, ob diese Überzeugungen für mich wirklich Sinn machen. Ich begann, viele Fragen zu stellen, sah aber bald, dass nur sehr wenige Menschen diese offen diskutieren wollten. Die meisten wichen mir aus oder begannen zu mauern. Aber ich war sehr neugierig und niemandem gegenüber feindlich gestimmt. Meine Familie kam für diese Diskussionen nicht in Frage aber ich fand ein paar aufgeschlossene Lehrer. Meine Highschool (Loyola High in Los Angeles) war eine Jesuiten-Schule und die Jesuiten sind sehr liberal was die Priesterschaft anbelangt.
Ich war dennoch enttäuscht. Ich erkannte dass, unabhängig von deren Bildung und deren viel größerer Lebenserfahrung sich sehr wenige meiner Freunde und Lehrer überhaupt die Mühe machten, Ihre Glaubenssätze offen zu hinterfragen. Und das rief in mir wirklich alle Zweifel hervor. Ich dachte mir, „Wenn jeder das alles nur unreflektiert hinnimmt und einfach niemand wirklich etwas hinterfragt, warum sollte ich das glauben?" Über einen Zeitraum von Monaten wurde der Zweifel immer größer und ich begann mehr und mehr an meine eigene Intelligenz und meine Gefühle zu glauben, als an meine katholische Erziehung. Irgendwann warf ich dann diesen kompletten Kontext über Bord und in Ermangelung eines anderen, brauchbaren Kontextes wurde ich Atheist.
Mein letztes Jahr an der katholischen Highschool beging ich als 17-jähriger Atheist. Oh, welche Ironie. Anfänglich war ich mir unsicher, was mich erwarten würde, empfand den Kontext des Atheismus aber bald als unglaublich stärkend. Nachdem ich all meine alten Überzeugungen über Bord geworfen hatte fühlte ich mich, als hätte mein Gehirn ein Intelligenz-Upgrade bekommen. Ich konnte plötzlich so viel klarer denken und hatte das Gefühl, dass mein Geist viel wacher ist. Ich hatte auch das Gefühl, viel mehr Kontrolle über mein Leben zu haben als jemals zuvor. Ohne einen Glauben an Gott übernahm ich die volle Verantwortung für die Ergebnisse in meinem Leben. Die Schule fiel mir leichter als jemals zuvor, obwohl ich die schwierigsten Fächer belegte, die meisten davon waren AP-Kurse (Anm.: Advanced Placement Kurse = Kurse auf College-Niveau). Ich war so gut bei Kalkulationen, dass mir mein Lehrer wirklich einen speziellen Test gab der anders war, als der vom Rest der Klasse. Und einmal kam mein AP Physik Lehrer vor der Schule zu mir damit ich ihm helfe ein schwieriges physikalisches Problem zu lösen. Ich fand besonders Mathematik und wissenschaftliche Kurse so einfach, dass ich nach neuen Wegen suchte um mich mehr zu fordern. Also versuchte ich, meine gesamte Hausaufgabe auf einem 3 mal 3 Zentimeter großen Stück Papier zu machen, oder mit Farbstift auf der Rückseite einer Cerialienschachtel, oder ich färbte meine Polardiagramme mit Farbstiften ein und verwandelte sie so in Kunstwerke. Manche glaubten, ich wäre verrückt, aber ich machte das hauptsächlich, um es interessanter zu machen, da die eigentlichen Probleme keine Herausforderungen für mich darstellten. Sie haben nicht wirklich gelebt, wenn Sie Kalkulationen nicht mit Buntstiften gemacht haben ...
Ich machte kein Geheimnis daraus, dass ich Atheist war. Im Religionskurs würgte ich einfach das Rohmaterial hervor, um einen Test zu schaffen. Sobald es aber zu offenen Diskussionsrunden kam, oder es freie Aufsätze zu schreiben gab, beantwortete ich sie aus der Perspektive des Atheisten. Ich bin dankbar, dass die Jesuiten so liberal waren und mein Verhalten toleriert haben. Ich schulde Ihnen einiges dafür.
Meine Familie war über all das nicht glücklich, vor allem als mein abonniertes Magazin „American Atheist" das erste mal in der Post lag (Ich wurde richtig gut darin, die Post rechtzeitig abzufangen). Aber ich machte mich so gut in der Schule dass es schwierig für sie war, sich zu beschweren und sie wollten auch nicht offen über meine Fragen sprechen. Obwohl ich sehr glücklich darüber gewesen wäre. Dennoch zwangen sie mich, weiterhin in die Kirche zu gehen, was ich auch eine Zeit lang tolerierte weil ich wusste, dass ich in einem Jahr ohnehin ausziehen würde. Aber irgendwann begann ich, mich in einen anderen Teil der Kirche zu setzen. Ich verschwand dann durch die Hintertür hinaus, machte einen Spaziergang und schlich mich rechtzeitig vor Ende der Messe wieder hinein. Einmal endete die Messe jedoch früher als erwartet und ich kam zu spät zurück. Meine Familie war bereits beim Wagen und sah mich die Straße hinunter spazieren. Uuuups! Sie fuhren ohne mich davon. Aber anstatt die 3 Kilometer nach Hause zu laufen war ich den ganzen Tag unterwegs und ging nicht vor Mitternacht nach Hause. Bis auf Hochzeiten und Beerdigungen war dies das letzte Mal, dass ich in der Kirche war.
Trotz dieser Konflikte war mein letztes Jahr auf der Highschool mein bestes. Ich schaffte all meine Kurse und wurde an sechs Colleges als Fachinformatiker zugelassen: Cal Tech, UCLA (Teil-Stipendium), UC San Diego (Voll-Stipendium), UC Berkeley, Carnegie Mellon und Harvey Mudd.
Ich entschied mich für die UC Berkeley weil deren Computerprogramme zu der Zeit die besten des Landes waren. Ich war sehr glücklich darüber, zuhause auszuziehen und endlich für mich alleine zu sein. Im Herbst 1989 zog ich nach Berkeley und wohnte im Studentenwohnheim.
Dann wurde alles ziemlich verrückt.
Judas
Auf der Berkeley Universität formte sich mein Atheismus-Kontext weiter aus. Nicht länger von Katholiken umgeben begegnete ich dort vielen interessanten Menschen mit sehr breit gefächerten Glaubenssystemen. Ich fand sehr schnell viele neue Freunde die sehr intelligent waren und manche waren offen für Diskussionen über die Beschaffenheit der Realität. Ich denke meine katholische Erziehung war wie eine gespannte Feder – sobald ich die Umgebung, die die Feder in der Spannung hielt verließ, schoss ich ans andere Ende des Spektrums. Aber ich ging viel zu weit damit. Ich warf nicht nur meine alten religiösen Überzeugungen über Bord, sonder damit auch mein ganzes Konzept von Moral. Ich war wie der Typ in Mark Twains Kurzgeschichte „The Facts Concerning the Recent Carnival of Crime in Connecticut", eine Geschichte über einen Mann, der sein Gewissen tötet.
Mir begann alles zu gefallen, was das Gegenteil meiner Erziehung war. Ich verlor völlig das Interesse an der Schule und ging kaum in meine Kurse. Es interessierte mich auch überhaupt nicht mehr, meinen Abschluss zu machen. Ich ging fast jede Woche auf Partys und trank viel, einmal über 14 Getränke hintereinander und wachte irgendwann auf, ohne jede Erinnerung, wie ich überhaupt ins Bett gekommen war. Ich musste meine Freunde bitten, die Bruchstücke der vergangenen Nacht zusammen zu setzen. Ich trank bis zu meinem 21. Lebensjahr mehr als danach (und ich bin jetzt 34).
Ich begann auch mit Diebstählen – vielen. Das erste Mal machte ich es weil es etwas war, was ich noch nie vorher gemacht hatte, etwas, was ich als Katholik niemals tun konnte. Es war wie ein Punkt, den ich auf meiner To-Do-Liste abhaken wollte. Ich wurde aber schnell süchtig nach dem emotionalen Kick und machte es immer öfter und öfter, bis hin zu mehrmals täglich.
Ich habe nie etwas mit der Absicht gestohlen, es zu behalten. Das meiste, was ich gestohlen habe, habe ich an andere Leute verteilt oder danach einfach weggeworfen. Innerhalb eines Monats in meinem ersten Semester wurde ich eingesperrt. 4 Monate auf Bewährung. Ich setzte eine Woche lang aus und begann dann sofort wieder damit, nur ein wenig vorsichtiger. Eine Woche nach Ende der Bewährungsfrist wurde ich wieder wegen Diebstahls eingesperrt. Doch ich verfeinerte meine Methoden noch weiter sodass es sehr schwer wurde, dass ich ertappt werde. Die paar Mal, wo es knapp wurde, gaben mir nur noch mehr Vertrauen.
Dieses Verhalten wurde für mich so zur Gewohnheit dass ich klauen konnte, ohne auch nur einen Anflug von Aufregung. Keine Angst. Also musste ich die Dosis erhöhen. Zunächst setzte ich mir kleine Ziele, zum Beispiel wie viele große Schokoriegel ich auf ein mal in meine Tasche bekomme (13) oder sämtliche Weißwein Flaschen aus dem Studenten-Shop an einem Tag zu klauen (über 50 Flaschen). Dann verschenkte ich Schokoriegel und Weißwein an befreundete Studenten.
In der Schule machte ich mich nicht besonders und wurde auch schulisch auf Bewährung gestellt. Das passiert, wenn man in den Kursen nicht anwesend ist. Ich könnte nicht behaupten, dass mich das sonderlich berührt hätte.
Aber es wurde alles noch schlimmer als ich einen anderen Studenten kennen lernte, der moralisch genau so geschädigt war wie ich, wir wurden schnell Freunde. Ich hörte mit den (riskanten) Diebstählen auf und wir planten gemeinsam Zwei-Mann Diebstähle mit sehr geringem Risiko, erwischt zu werden. Es funktionierte wieder und wieder und wir verdienten schließlich beide Geld damit. Um auf Nummer sicher zu gehen und nicht immer wieder an die selben Orte zurück zu kehren erweiterten wir unser Einzugsgebiet weit um Berkeley herum auf einen Radius von fast 50 Kilometern, von San Francisco über Sacramento bis Fresno. In einem Zeitraum von etwa einem Jahr machten wir schrittweise jeden Diebstahl zu Geld sodass wir damit in den Bereich des schweren Diebstahls fielen (jeder Diebstahl damals über 400 Dollar). Unser Wochenendrekord lag glaube ich bei einem Warenwert von 2.400 Dollar.
Ich hätte es nicht tun sollen
Irgendwann wurde ich wieder erwischt, diesmal bei schwerem Diebstahl. Das ist nicht gut. Vor dieser Inhaftierung erfuhr ich, dass ich aufgrund meiner Vorstrafen einer 2-jährigen Gefängnishaft entgegensah, sollte ich wegen schwerem Diebstahl angeklagt werden. Das ist wirklich nicht gut.
Und als ob das nicht genug wäre, wurde ich in Sacramento erwischt, eine 2-stündige Autofahrt von Berkeley entfernt. Mein Partner konnte nicht warten, bis er auch erwischt wurde, also fuhr er zurück. Ich saß im Bezirksgefängnis fest wegen der Überprüfung meines Ausweises. Ich hatte bei meinen Diebstählen nie einen Ausweis dabei und ich nannte der Polizei einen meiner falschen Namen. Sie verließen sich natürlich nicht darauf dass ich die Wahrheit sage also musste ich in der Zelle warten während Sie meine Fingerabdrücke nahmen und versuchten herauszufinden, wer ich war.
Hier war ich also... 19 Jahre alt, im Gefängnis am Superbowl Sonntag 1991. In Erwartung des Verlustes meiner Freiheit für die nächsten 2 Jahre.
KAWUUUUMMMM!
Das war der Klang der Realität, die auf mich einstürzte. Die ersten Stunden war ich in einem Schockzustand, eine Zeit lang unfähig, klar zu denken. Immer und immer wieder stellte ich mir die selben Fragen. Was zur Hölle mache ich hier? Bin das wirklich ich?
Jetzt waren meine Antworten aber ganz anders. Mir wurde klar, dass dieser Kontext völlig falsch war. Ich fand mich mit der Tatsache ab, dass ich die nächsten paar Jahre im Gefängnis verbringen musste. Ich wusste gleichzeitig, dass ich mich für immer verändert hatte und dass diese Art zu leben hiermit endete. Zwei Jahre im Gefängnis... das ist eine schmerzhafte Lektion. Aber wenigstens hatte ich sie gelernt. Ich hatte in dem Moment noch keinen völlig neuen Kontext, ich begann aber bereits einen Samen dafür zu säen. Dieser Samen war die Erkenntnis: Egal wie schlimm etwas zu sein scheint, in der Zukunft kann es besser werden. Ich wusste, dass ich mich irgendwann erholen und gestärkt wieder aufstehen würde. Es würde vielleicht ein paar Jahre dauern, bis ich wieder auf den Beinen sein würde, aber ich wusste mit Sicherheit, dass ich das überleben würde. Auch wenn ich es damals noch nicht so gesehen hätte war dies der Moment, in dem die Idee für persönliches Wachstum in mir entstand. Es war der Gedanke dass egal wie schlecht die Dinge gerade laufen, ich trotzdem die Kraft habe, durch sie hindurch zu wachsen und an einer besseren Position in der Zukunft wieder hervorzutreten. Dieser Gedanke war alles, was ich hatte, aber er reichte aus, um das alles durchzustehen.
Drei Tage später wurde ich entlassen. Sie hatten mich schließlich erfolgreich identifiziert. Ich bekam einen Gerichtstermin und wurde wegen schweren Diebstahls angeklagt. Es war etwa zu Sonnenuntergang. Zuerst ging ich um das Kapitol Gebäude und dem Garten in Sakramento herum, ich genoss einfach die frische Luft und war glücklich, wenigstens noch ein paar Monate in Freiheit zu haben. Im Gefängnis ist es extrem langweilig und ich war nur im Bezirksgefängnis, nicht in der Vollzugsanstalt. Leider hatte ich mit einem direkteren Problem zu kämpfen. Ich hatte keinen Ausweis, nur noch 18 Dollar in bar und ich musste irgendwie die 120km nach Hause bewältigen. Wie es das Glück so wollte fand ich einen Nachtbus nach Oakland für nur 16 Dollar und von dort brachte eine (Ex-)Freundin mich nach Hause.
Zurück in meiner Wohnung fand ich einen Brief der Berkeley Universität in dem stand, dass ich von der Universität ausgeschlossen wurde. Sie machen das, wenn der Notendurchschnitt mit einer Kommastelle beginnt.
Ein gebrochener Kontext
In den folgenden Monaten während ich auf meinen Gerichtstermin wartete, war ich ziemlich niedergeschlagen. Ich tat nicht wirklich etwas. Ich schlief viel, machte lange Spaziergänge und spielte ziemlich viele Computerspiele. Es ist schwer sich Ziele zu setzen wenn man einen Gefängnisaufenthalt vor sich hat.
Irgendwann bekam ich einen Anwalt und traf mich mit ihm, um meinen Fall zu besprechen. Bevor ich meinen Mund aufmachte sagte er, „Ich habe mir Ihren Fall angesehen, und da das Ihr erstes Vergehen ist bin ich mir ziemlich sicher, dass wir eine Reduktion auf geringfügigen Diebstahl erwirken können, sodass Sie nur Sozialstunden ableisten müssen, wenn wir keinen Einspruch erheben. Ich habe ein gutes Verhältnis zum Staatsanwalt, ich bin mir also ziemlich sicher, dass er darauf einsteigen wird. Ich rate dringend davon ab, zu prozessieren, da die Beweislast gegen Sie erdrückend ist wenn man bedenkt, dass Sie auf frischer Tat ertappt wurden."
Erstes Vergehen? Huh? Mir schossen sofort Gedanken durch den Kopf, „Warum denkt er, dies wäre mein erstes Vergehen? Weiß er nichts von meinen Vorstrafen? Und wenn er denkt, das wäre mein erstes Vergehen, denkt das Gericht das ebenfalls? Soll ich meinen Anwalt auf diesen Fehler hinweisen?" Nachdem ich ein paar Sekunden darüber nachdachte beschloss ich dass es verdammt das beste ist, den Mund zu halten. Das könnte nach hinten losgehen, es bestand aber auch die Chance, ungeschoren davon zu kommen. Im schlimmsten Fall müsste ich mich mit einem verärgerten Anwalt fertig werden. Aber der beste Fall war einfach zu gut um sich diese Chance zu vergeben. Schwerer Diebstahl ist ein Verbrechen; geringfügiger Diebstahl nur ein Vergehen. Ich musste das Risiko eingehen. Natürlich war es mir nur zu vertraut, Risiken einzugehen.
Mehrere Wochen später gingen wir vor Gericht. Mein Plan war, so wenig wie möglich zu sagen. Außerhalb des Gerichtssaales dachte ich über die Grundinformationen nach, die das Gericht über den Fall hatte. Sie hatten doch meine wahre Identität herausgefunden, sie hatten aber auch meine Liste mit den falschen Namen. Es sind keine Vorstrafen gelistet. Meine Annahme ist dass jemand einen Fehler gemacht hatte und nach Vorstrafen unter meinen falschen Namen gesucht haben könnte, obwohl das Verfahren auf meinen echten Namen lief. Menschliches Versagen? Computerfehler? Wer weiß? Ein großer Fehler in jedem Fall.
Der sich bestätigte, als wir den Gerichtssaal betraten (ein Ort, der mir immer vertrauter wurde), das Gericht blieb bei der Annahme, dass dies mein erstes Vergehen wäre und behandelte den Fall entsprechend. Ich erhob keinen Einspruch auf die reduzierte Anklage auf geringfügigen Diebstahl und hatte 60 Stunden Sozialdienst abzuleisten. Ich absolvierte diese 60 Stunden, als wären Sie ein Traumjob, mit dem Wissen, dass es auch 17.520 Stunden hätten sein können.
Mein Kopf schwirrte. Was war gerade passiert? Die nächsten zwei Jahre gehörten nun wieder mir.
Wiederaufbauzeit
Ich zog bald wieder nach L.A. und besorgte mir einen einfachen Job als Verkäufer für sechs Dollar die Stunde und besuchte nebenbei ein paar unwichtige Kurse. Ich hatte genug Aufregung in den vorangehenden Jahren und wollte eine zeitlang einfach ein ruhiges, normales Leben führen... eine Zeit lang unter dem Radar. Ich nahm wieder Kontakt zu einigen alten High-School Freunden auf die auf die Universität von Californien gingen und hing manchmal bei der Studentenverbindung herum, hielt mich normalerweise aber von den Partys fern. Ich spielte viel Frisbee Golf, Tennis und Computerspiele (vor allem die Sierra Adventure Games die in den frühen 90er Jahren populär waren). Ich versuchte, ein sehr einfaches Leben zu führen. Ich dachte viel über meine Erfahrungen an der Berkeley Universität nach, ich musste sie verstehen um mich davor zu bewahren, nochmals einen solchen Weg einzuschlagen. Ich behielt meine diesbezüglichen Gedanken aber für mich.
Ich wusste, dass ich ziemlich viel Aufbauarbeit an meiner Persönlichkeit leisten musste, aber ich wusste auch, dass ich nicht zurück konnte. Die Moral und Glaubenssätze mit denen ich groß geworden bin, waren gebrochen, aber ohne Gewissen zu leben war ganz klar auch keine Option. Ist ein Glaube an einen Gott nötig, um nach ethischen Grundsätzen zu leben?
Mir wurde bewusst, egal wie negativ meine Erfahrungen auch waren, sie hatten mich auf eine gute Art und Weise für immer verändert. Ich hatte Zugang zu einem Teil von mir bekommen, der bis dahin inaktiv war – mein Mut. Obwohl ich sehr dumme Dinge getan hatte, gehörte auch viel Mut dazu, so etwas zu tun. Ich lernte trotz Angst zu handeln, immer und immer wieder. Und diese Konditionierung blieb mir erhalten. Da ich bereits einer Gefängnisstrafe entgegengesehen hatte, machte mir nichts mehr etwas aus, was geringere Konsequenzen als ein Gefängnisaufenthalt hatte. Von diesem Tag an konnte die Angst vor dem Versagen mir nichts mehr anhaben. Ich sage mir einfach: „Hey, wenn es mich nicht ins Gefängnis bringt, wie schlimm kann es dann sein?".
Natürlich musste ich lernen, diesen Mut mit Moral und Menschenverstand zu zügeln. Während diesem Jahr der Reflexion veränderte ich schrittweise meinen Kontext um einen neuen, ganz persönlichen ethischen Grundsatz zu schaffen, der mich leitete. Statt mich aber an eine Religion zu binden, baute ich diesen Grundsatz auf eine menschlichere Art auf und integrierte Werte wie Ehre, Aufrichtigkeit, Integrität, Demut und Fairness. Das war ein sehr bedächtiger und bewusster Aufbauprozess, der einige Jahre dauerte. Aber schon während dieser Zeit 1991-1992 als ich gerade erst damit begann, gab er mir Halt und wurde schrittweise zu dem Kontext, der mir am meisten Kraft gab. Ich brauchte nicht lange um zu begreifen dass der Mut, den ich entwickelt hatte zu einem sehr machtvollen Instrument für mich werden konnte wenn ich lernen würde, ihn vernünftig einzusetzen.
Ich war bereit für eine neue Herausforderung.
Nichts zu befürchten
Im Herbst 1992 beschloss ich, wieder aufs College zu gehen und wieder im ersten Semester zu beginnen. Diesmal ging ich auf die Cal State Universität in Northridge (CSUN). Das Fach Informatik war keine Voraussetzung, alles was ich tun musste um aufgenommen zu werden war mich zu bewerben. Ich zog mit 21 ins Studentenheim. Aber ich war nicht mehr der selbe wie mit 18. Aus religiöser Sicht war ich noch immer Atheist, doch jetzt hatte ich eine starke Sammlung persönlicher Werte als meine Führung. Ich wollte sehen, wozu ich fähig war und wie mir diese neuen Werte helfen könnten, vor allem der Wert Integrität. Es würde kein Betrügen geben, kein Stehlen, kein Trinken. Es drehte sich alles um Zielsetzung, Handlungen zu setzen und mich dazu zu bringen, mein Bestes zu geben. Mein Mut war wie eine neue Kraftquelle, doch jetzt hatte ich das Zaumzeug in der Hand. Meine Berkeley Freunde hatten zu mir gesagt, „Wenn du die ganze Energie, die du in deine kriminellen Handlungen steckst in dein Studium stecken würdest, hättest du nur ausgezeichnete Erfolge".
Aber ich wusste, ich könnte überall ausgezeichnet abschneiden. Ich hatte das schon auf der Highschool gemacht, indem ich alle Wahlfächer besuchte. Diese Herausforderung war nicht groß genug. Also legte ich die Latte höher und wählte 31 Einheiten (10 Klassen). Der durchschnittliche Student nimmt 12-15 Einheiten pro Semester. Unglücklicherweise genehmigte mir die Dekanin der Informatikabteilung meine zusätzlichen Einheiten nicht. Sie war die Pförtnerin und sie dachte ich würde es entweder nicht ernst meinen oder verrückt sein. Ich handelte sie von 18 auf 25 Einheiten hinauf, dann blieb sie aber hart und selbst da dachte sie noch, dass ich es vielleicht gar nicht ernst meine. Also nahm ich 25 Einheiten an der CSUN und schrieb mich in weitere sechs Einheiten außerhalb des Kampus ein um insgesamt auf meine 31 zu kommen. Das war gegen die Regeln weil die Genehmigung der zusätzlichen Einheiten inklusive außerhalb des Kampus genommener Einheiten galt. Aber ich ließ mich nicht von sinnloser Bürokratie aufhalten.
Ich brachte mir Zeitmanagement bei und lernte meine Zeit sehr effizient zu nutzen. Ich bestand alle Kurse mit Auszeichnung und brachte meine Bescheinigungen über den ausgezeichneten Erfolg von beiden Schulen zur Dekanin und bat sie um 39 Einheiten für mein zweites Semester. Diesmal war es nicht schwer, die Genehmigung zu bekommen aber ich glaube als ich ging war ich ihr ein wenig unheimlich. Ich bestand auch das zweite Semester mit Auszeichnung. Dann im Sommer 1993 machte ich einen Vollzeit-Job als Spieleprogrammierer und wurde Vegetarier. Keine Sommerschule. In meinem dritten und letzten Semester belegte ich einen doppelten Studiengang in Mathematik (was ziemlich einfach war weil es so viele Überschneidungen mit den Informatik-Kursen gab) und ich nahm 37 Einheiten neben meinem Vollzeit-Job. Ich machte meinen Abschluss mit einer Punktezahl von 3,94 GPA (Anm.: maximal erreichbare Punktezahl ist 4) und erhielt für jedes Jahr eine Auszeichnung als Top Informatik Student. Zwei Titel in 3 Semestern.
Diese Erfahrung machte mir die Macht des Kontextes erst richtig bewusst. Als Katholik hätte ich etwas Vergleichbares nicht einmal versucht. Ich hätte mir niemals solche Ziele gesetzt. Ich bin nicht sicher ob jemand, der niemals Kontexte gewechselt hat wirklich verstehen kann, wie anders die Realität aus dieser Perspektive aussieht. Wenn Sie sich einem schwächenden Kontext verschreiben sind Sie womöglich völlig gehemmt in Ihrer Fähigkeit, bestimmte Herausforderungen zu meistern. Egal wie sehr Sie es versuchen (wenn Sie es überhaupt versuchen).
In dem Jahr nach meinem Abschluss startete ich Dexterity Software, traf meine zukünftige Frau und erforschte weiter verschiedene Glaubenssysteme. Jetzt aber sehr bewusst. Ich war getrieben von einer Idee: Wenn ein bestimmter Kontext eine Tür zu bislang ungenutztem Potential öffnen konnte, was können dann andere Kontexte? Gibt es vielleicht einen besseren Kontext als meinen aktuellen? Meine Erfahrungen auf der Berkeley und CSUN waren völlig gegensätzlich und ich wusste, dass das an meinen unterschiedlichen Glaubenssystemen lag. Eine „Religion" brachte mich fast ins Gefängnis. Die andere gewährte mir Zutritt zu einem Potential von dem ich nicht wusste, dass es in mir schlummerte. Ich musste unbedingt mehr darüber herausfinden.
Im nächsten Jahrzehnt experimentierte ich mit Agnostizismus, verschiedenen New-Age Glaubenssystemen, Buddhismus, Objektivismus und mehr. Ein paar Monate lang schaute ich mir sogar Scientology an um zu sehen, wie das ist. Ich wollte eine Reihe verschiedenster Kontexte annehmen, diese von innen erfahren und dann deren Stärken und Schwächen miteinander vergleichen. Das führte zu einer großen Instabilität in meinem Leben, aber auch zu enormem Wachstum.
Das ganze ist vergleichbar mit einem Koch der verschiedene Zutaten ausprobiert um herauszufinden welches Glaubens-Rezept zum besten Leben führt. Und nochmal, die Definition von „das Beste" ist selbst Teil des Rezepts, meine Auffassung vom Sinn des Lebens war also ebenfalls im Fluss.
Oftmals erlebte ich, dass so mancher Kontext mich zurückwarf und meine Ergebnisse sich verschlechterten. Andere Male gab mir mein neuer Kontext mehr Kraft und ich kam wieder vorwärts. Indem ich neue, stärkende Glaubenssätze in mein Leben integrierte und schwächende losließ, verbesserte sich mein Leben nachhaltig in allen Bereichen. In den vergangenen Jahren blieben sie ziemlich stabil und 2005 war mein mit Abstand bestes Jahr.
Flexibel
Unser Glaube funktioniert wie eine Linse. Diese Linsen können uns dabei helfen Dinge zu sehen, die wir sonst nicht sehen können. Sie können uns aber auch daran hindern, Teile unserer Wirklichkeit zu sehen. Ein sehr großer Teil von Persönlichkeitsentwicklung ist meiner Meinung nach das Erkennen dieser Linsen – dieser Glaubenssysteme. Es gibt eine unendliche Anzahl an Linsen, die Suche endet also nie, aber je mehr Linsen Sie persönlich erforschen, desto mehr verstehen Sie die Wirklichkeit und Ihre eigene Rolle darin.
Ich habe noch kein organisiertes Glaubenssystem gesehen, dass nicht auf irgend eine Art und Weise schwächend ist. Das Problem ist, das sie alle eine starre Perspektive haben. Egal aus welcher einzelnen Perspektive Sie die Realität dann betrachten, Sie erhalten nur eine Projektion der Realität aus Ihrem Glaubenssystem, nicht die wahre Realität. Je starrer Ihre Perspektive, desto mehr Details werden Ihnen fehlen (Details die nicht in Ihre Projektion gelangen, sehr wohl aber in die von anderen) und desto weniger Ihres wahren Potentials werden Sie in der Lage sein, anzuzapfen.
Viele Jahre lang hätte ich meine Religion als Bereich und nicht als Fixpunkt beschrieben. Sie war Multi-Kontextual. Ich hielt den Kontext flexibel und versuchte, die Wirklichkeit aus verschiedenen Perspektiven zu sehen. Am Anfang war das verwirrend und erschwerte es, Ziele und Handlungen zu setzen. Ich fand aber, dass es sich lohnte weil ich dadurch viel mehr Klarheit bekam. Ich begann Muster zu erkennen, wo verschiedene Perspektiven hinführen können, sowohl mich als auch andere. So wie Sie sich vorstellen können, wo ein kriminelles Leben hinführt, können Sie auch einen feineren Blick dafür bekommen, wo ein Glaube an einen bestimmten Gott hinführen wird und wie dieser Weg im Vergleich zu anderen Möglichkeiten ist. Das ist kompliziert, weil wir nicht mit fixen Punkten arbeiten, weder am Startpunkt noch an der Bestimmung. Es geht um Bereiche von Möglichkeiten, die zu Bereichen von Potential führen. Ein kriminelles Leben kann zum Beispiel auf viele Arten beginnen und enden, und dennoch können Sie Grundmuster auf dem Weg vom Beginn zum Ende erkennen. Sie können einige Verallgemeinerungen vornehmen, die ziemlich zutreffen werden.
Als Ergebnis dieser Selbstprüfung war ich in der Lage, bestimmte Glaubenssätze zu verwerfen und andere zu forcieren. Manche Glaubenssätze empfand ich als durchwegs schwächend, und diese zu übernehmen würde mir den Zugang zu wertvollem Potential verwehren. Dazu gehört der Glaube an etwas wie Himmel und Hölle und an eine höhere Macht. Zweiteres mag verwundern, ich entschloss mich aber, davon abzulassen weil ich das auf Dauer als weniger stärkend empfand als den Glauben an eine niedrigere Macht. Ein Beispiel für höhere Macht wäre ein bewusst existierender Gott oder Götter wie man sie im Christentum oder der griechischen Mythologie findet. Eine niedrigere Macht ist wie ein Feld, das auf Ihre Absichten reagiert, etwas wie „die Macht" in Star Wars oder was manche Leute „die Quelle" nennen. Sie können beide Arten von Macht anbeten aber im ersten Fall fragen Sie und im zweiten Fall deklarieren Sie. Viele Menschen, mich eingeschlossen, haben erkannt, dass deklarierendes Gebet besser funktioniert als kein Gebet, und besser als fragendes Gebet. Ich betrachte es vorwiegend als ein Aussenden von Absichten und Intentionen.
Mit der Entscheidung also, welche Glaubenssätze man übernimmt und welche man loslässt, komme ich immer wieder zurück zum Konzept von Macht und Potential. Ich strebe es an, Glaubenssätze loszulassen, die den Zugang zu meinem Potential behindern und stärke gleichzeitig Glaubenssätze, die mehr Potential freigeben. Wenn eine Form von Gebet überhaupt nicht funktioniert, ein anderes aber häufig, werde ich eher Zweiteres übernehmen.
Die Welt mit meinen Augen
Meine Hauptreligion wurde definitiv eine Religion des persönlichen Wachstums. Jedes Jahr prüfe ich wieder meine Glaubenssätze um sie besser in Übereinstimmung an mein Verständnis von der Realität und wie sie tatsächlich funktioniert zu bringen. Je besser wir die Realität verstehen, desto mehr Potential geben wir frei. Es ist wie wenn wir ein neues physikalisches Gesetz verstehen und uns dies ermöglicht Dinge zu tun, die davor nicht möglich waren. Glaubenssätze über die Realität funktionieren ganz gleich. Wenn Sie in dem Glauben an die Erde als Scheibe verharren, wird das Ihre möglichen Handlungen und Ergebnisse einschränken. Das Gleiche passiert, wenn Ihr religiöser Glaube nicht zur Wirklichkeit passt. Dann können Sie Ihr ganzes Leben lang nur einen Bruchteil Ihres Potentials anzapfen. In meiner „Religion" ist es eine Sünde, mein Potential brach liegen zu lassen. Persönliche Verbesserung ist in meinem Verständnis von Moral tief verankert. Nicht zu wachsen ist für mich moralisch falsch – es läuft meinem Verständnis vom Sinn und Zweck des Lebens zuwider.
Der einzig verlässliche Weg den ich fand um herauszufinden, welcher Glaube stärkend ist, ist ihn zu testen und mit anderen Glaubenssätzen zu vergleichen. Zu dieser Ansicht kam ich ganz unbewusst und auf sehr destruktive Weise. Aber bewusst und intelligent eingesetzt kann Ihnen diese Vorgehensweise eine ganz neue Sichtweise auf das Leben ermöglichen. Leute die viel reisen berichten, dass Sie sich durch Ihre Erfahrungen mit anderen Kulturen verändert haben. Genau so werden Sie Veränderungen bemerken, wenn Sie verschiedene Glaubenssysteme in Erfahrung bringen.
Natürlich erwarte ich jetzt nicht von jedem, sich meiner Religion zu verschreiben. Das war eine sehr persönliche Entscheidung von mir und ist zweifellos von meinen ganz persönlichen Erfahrungen geformt. Dass ich meine Glaubenssätze jetzt bewusst aussuche ermöglicht mir einen Zugang zu meinem Potential den ich mit anderen Glaubenssystemen nicht hatte. In den meisten Fällen wäre ich einfach zu passiv geblieben und hätte es nicht geschafft, mich zu motivieren. Ich wäre eher geneigt gewesen, mein Los zu akzeptieren statt es bewusst mitzugestalten. Meine Religion basiert auf aktiver Arbeit an persönlichem Wachstum und darauf, anderen zu helfen, das selbe zu tun. Und das motiviert mich, zu handeln. Gute Gedanken oder Absichten sind nicht genug.
Ein weiterer Teil meiner Religion ist das Streben, das beste Ich oder Selbst zu werden, das ich kann, keine Kopie von Jesus oder Buddha oder irgend sonst jemand. Das bedeutet viel Zeit damit zu verbringen, meine Stärken und Schwächen kennenzulernen und herauszufinden, wo ich wachsen kann und was ich ganz einfach akzeptieren muss.
Alles zählt
Bestärkt Ihr aktueller Glaube Sie, Ihr Bestes zu geben, oder verdammt er Sie dazu, nur ein Schatten dessen zu sein, was Sie sein könnten? Können Sie aufrichtig behaupten Ihr Bestes zu geben oder sind Sie nahe daran? Leben Sie in Übereinstimmung mit Ihren tiefsten Überzeugungen? Was auch immer Ihre religiösen oder spirituellen Überzeugungen sind, wie gut praktizieren Sie sie? Leben Sie was Sie sagen?
Am Montag als ich am Las Vegas Strip entlang spazierte sah ich einen gedrückten obdachlosen Mann der am Gehsteig saß und um Geld bettelte. Über hundert Menschen gingen jede Minute an ihm vorbei, es blieb niemand stehen um ihm auch nur ein nettes Wort oder ein Lächeln zu schenken. Ich dachte mir, „Wo sind all die Christen?". Wenn Jesus das Vorbild für christliches Verhalten ist, was würde er in dieser Situation machen? Was würden andere Vorbilder tun? Was würden Sie tun?
Am Reden höre ich, dass die meisten Amerikaner Christen sind. An den Handlungen kann ich ablesen, dass es die meisten nicht sind.
Wenn Sie an etwas wirklich glauben, werden Sie in Übereinstimmung mit diesem Glauben handeln – immer. Wenn Sie an die Schwerkraft glauben, werden Sie niemals versuchen, Ihr zu trotzen. Wenn Sie behaupten etwas zu glauben, aber entgegengesetzt handeln, dann glauben Sie nicht wirklich daran. Sie machen sich nur etwas vor. Es gibt keinen gelegentlichen Glauben.
Taten und nicht Worte, offenbaren den wahren Glauben. Wenn Sie verstehen wollen, woran Sie wirklich glauben, beobachten Sie Ihre Handlungen. Dazu braucht es vielleicht einigen Mut, aber wenn Sie dem Weg Ihrer Handlungen folgen, führt er Sie zu einem stimmigeren Glaubenssystem. Und wenn Sie einmal dort sind, können Sie bewusst auf neue Glaubenssätze zugehen, die Sie stärken. Ihre Taten und Überzeugungen sind auf diesem Weg in Übereinstimmung. Aber Sie machen keine Fortschritte solange Sie behaupten, etwas zu glauben aber fortwährend gegen diesen Glauben verstoßen. Die meisten Menschen versuchen, Ihre Handlungen besser an Ihren sogenannten Glauben anzupassen... und erleben nichts als Frustration. Ich sage, bringen Sie zuerst Ihre Überzeugungen in Übereinstimmung mit Ihren Handlungen und seien Sie hundertprozentig ehrlich zu sich selbst, trotz Zweifeln. Dann wird es Ihnen wesentlich leichter fallen, voran zu kommen. Haben Sie keine Angst davor – kein göttliches Wesen wird Sie heimsuchen, weil Sie ehrlich zu sich selbst sind. Und sollte doch zufällig eines auftauchen können Sie mich als Sündenbock verwenden.
Obwohl das ein steiniger Weg sein kann (das war er definitiv für mich), werden Sie am Ende ein viel integerer, stärkerer Mensch sein. Innere Unstimmigkeiten lähmen Sie völlig und lassen Sie nur einen Bruchteil Ihres Potentials leben. Wenn Ihre Taten und Ihre Überzeugungen miteinander in Konflikt stehen, können Sie auch nicht klar denken. Sie sind weniger intelligent und weniger einfallsreich – und leicht von anderen manipulierbar. Sie haben überhaupt keine Klarheit und können scheinbar nicht konsequent in eine Richtung gehen. Sie sind wie ein führerloses Schiff, das von den Wellen herumgeworfen wird.
Übereinstimmung ist Klarheit. Werden Sie sich klar darüber, was Sie wirklich über die Realität denken, indem Sie Ihre Handlungen beobachten. Gestehen Sie sich die tiefste, dunkelste Wahrheit über sich selbst ein, der Sie niemals ins Auge blicken wollten. Denn dann werden Sie einen Weg des Wachstums einschlagen, der Ihre früheren Möglichkeiten in den Schatten stellt. Sie werden Zugänge zu Ressourcen bekommen, die davor ungenutzt waren – mehr Intelligenz, mehr Bewusstsein, mehr Gewissen. Und schließlich werden Sie anfangen, Ihre wahre Größe zu leben, die viel zu lange unter einem Berg von Verleugnung verschüttet war.
Haben Sie keine Angst davor dem ins Angesicht zu blicken, was Sie wirklich sind. Sie sind viel stärker, als Sie glauben.
Und dann ...
Im nächsten Artikel erforschen wir, wie Sie die größte aller Fragen beantworten können: Wie sollen Sie leben und wofür?
Dieser Artikel ist Teil 1 einer 6-teiligen Serie über den Sinn des Lebens:
- Teil 1: Der Sinn des Lebens: Einleitung
- Teil 2: Der Sinn des Lebens: Wie sollen wir leben?
- Teil 3: Der Sinn des Lebens: Entdecken Sie Ihren Lebenszweck
- Teil 4: Der Sinn des Lebens: Vom Lebenszweck zur Handlung
- Teil 5: Der Sinn des Lebens: Umwandlung
- Teil 6: Der Sinn des Lebens: Bewusste Entwicklung
Übersetzung von ProblemImGriff, Original von Steve Pavlina:
„The Meaning of Life: Intro“
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