Teilen Sie Ihre Beschämung
Welche persönliche Geschichte haben Sie in die tiefsten Winkel Ihrer Seele verbannt, von der Sie schwören, sie niemals irgend jemandem anzuvertrauen? Was wäre Ihnen schrecklich peinlich, wenn es jemals unter ihrem echten Namen im Internet veröffentlicht würde? Über welche Ereignisse oder Gewohnheiten aus Ihrer Vergangenheit oder Gegenwart ist es Ihnen peinlich, zu sprechen? Genau das ist es, was Sie mit anderen teilen sollten – ehrlich und öffentlich.
Authentizität
Wenn Sie Ihre Beschämung nicht öffentlich teilen können, sind Sie noch nicht darüber hinweg. Und wenn Sie nicht darüber hinweg sind, dann haben Sie noch immer diese klaffende Wunde in Ihrem Herzen. Das wird Sie immer daran hindern, 100% authentisch zu sein.
Authentisch zu sein – oder transparent – bedeutet nicht nur ehrlich zu sein. Es bedeutet nichts zu verbergen zu haben.
Die Wahrheit vor anderen zu verbergen baut eine Mauer zwischen Ihnen und anderen. Reißen Sie die Mauer nieder indem Sie etwas teilen von dem Sie dachten, dass Sie es niemals teilen könnten und Sie werden eine viel tiefere Verbindung zu jedem, dem Sie begegnen erfahren.
Schutzschild runter
Es gibt nichts Schlimmeres als selektive Abschirmung. Wenn Sie irgend einen Teil von sich selbst davor abschirmen müssen, aufgedeckt und beurteilt zu werden, schirmen Sie Ihr gesamtes Wesen ab. Sie schneiden sich selbst davon ab, offene, liebevolle Verbindungen zu anderen Menschen aufzubauen. Ihr Schild isoliert und trennt Sie von jedermann, einschließlich sich selbst.
Senken Sie Ihr Schild ab.
Ich weiß, Sie denken dass, wenn Sie Ihre Schutzschilde ablegen, eine Salve von Phaser- und Photonen-Torpedos auf Sie einhageln wird. Aber was ist wirklich das Schlimmste, das passieren kann? Eine herbe Ausdrucksweise? Autsch.
Wenn Sie Ihre beschämendsten Geschichten erzählen werden Sie über die Rückmeldungen, die Sie bekommen, überrascht sein. Anstatt verurteilt zu werden ist es viel wahrscheinlicher, dass eine mitfühlende Reaktion kommt. Andere Menschen wollen und erwarten nicht von Ihnen, dass Sie perfekt sind. Sie wollen sich mit Ihnen verbinden und Sie möchten sich sicher sein können, dass Sie ehrlich zu ihnen sind. Wenn Sie alle Ihre persönlichen Defizite verstecken, dann wirken Sie falsch, heuchlerisch oder verhalten. Die Leute werden dennoch mit Ihnen auf einer oberflächlichen Ebene kommunizieren. Aber Sie werden sich nicht sonderlich einsetzen, um Ihnen als Mitmensch zu helfen. Warum nicht? Weil sie Ihr wahres Ich nicht kennen.
Von Kummer zu Freude
Wenn Sie Ihre Beschämung mit anderen teilen, dann verwandeln Sie Ihren Widerstand in Akzeptanz und Ihren Kummer in Freude. Sie finden heraus dass es einen Grund dafür gibt, warum Sie bestimmte Erfahrungen machen mussten, selbst wenn sie selbst verschuldet sind. Ihre schmerzlichsten Erfahrungen können Ihnen tatsächlich helfen, sich mit anderen Menschen auf einer tieferen Ebene zu verbinden, als Sie sich jemals vorstellen können.
Mein Buch „Das universelle Prinzip der Selbstentfaltung“ beginnt mit meiner beschämendsten Erfahrung. Hier ist die erste Seite aus meinem Buch:
Erinnern Sie sich noch an den Moment, als Sie sich zum ersten Mal für Persönlichkeitsentwicklung interessierten? Ich erinnere mich auf jeden Fall. Es war im Januar 1991 als ich gerade in einer Gefängniszelle saß. Ich war wegen schwerem Einbruchdiebstahl inhaftiert worden und es war nicht das erste Mal, dass ich mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Mir war klar, dass ich in großen Schwierigkeiten steckte. Ich war damals 19 Jahre alt.
Ich begann mit dem Stehlen kurz nachdem ich nach Berkeley gezogen war, während meines ersten Semesters an der Universität UC Berkeley in Kaliforniern. Ich stahl nicht wegen des Geldes oder um damit anzugeben – Ich stahl nur wegen dem Nervenkitzel. Ich war süchtig nach Adrenalin. Mein Zwang zum Stehlen war so stark, dass Ladendiebstahl zu meiner täglichen Routine wurde, genauso wie mein Espresso. Mir war es ganz egal, was ich mitgehen ließ, es war der Akt an sich, der mich reizte. Ein typischer Diebstahl bestand darin, ein Dutzend Schokoriegel zu stehlen und diese dann an einem öffentlich zugänglichen Ort zu deponieren. Ich stellte mir vor, wie andere Menschen sie essen würden. Ich selbst aß sie nicht, weil ich sie für ungesund hielt.
Während ich mehrere Tage im Januar im Gefängnis saß und nichts zu tun hatte, außer mir immer wieder meine Dummheit vor Augen zu führen, brach die Erkenntnis über das ganze Ausmaß meiner Situation mit einem Mal über mich herein. Auf der Highscool hatte ich immer die besten Noten, war Vorsitzender des Mathematikclubs und der Kapitän der Zehnkampfmannschaft. Meine Zukunft in der Computerwissenschaft lag unglaublich strahlend vor mir, aber irgendwie hatte ich es geschafft, sie in Scherben zu legen. Nun ging ich davon aus, dass ich die nächsten ein bis zwei Jahre hinter Gittern verbringen würde.
Das war nicht gerade der erhellendste Moment in meinem Leben, warum begann ich also mein Buch mit dieser Geschichte?
Viele Bücher über Persönlichkeitsentwicklung wurden von Autoren geschrieben, die einen Eindruck von Perfektion vermitteln – idyllische Beispiele von Ordnung, Leistung, innerem Frieden, Reichtum und so weiter. Für mich ist das eine Form von Abschirmung, eine künstliche Mauer, ein geschönter Zustand den kein Mensch wirklich anstreben kann.
Ich denke es ist viel inspirierender, Geschichten über das Scheitern zu erzählen. Ich demonstriere gerne, dass wir immer wieder versagen und trotzdem immer weiter machen können. Ich glaube die Fähigkeit, das Scheitern anzunehmen ist viel wichtiger als die Fähigkeit, sich Erfolg vorzustellen. Sie können sich so viele Erfolge vorstellen wie Sie wollen, wenn Sie Angst haben zu versagen, werden Ihre Vorstellungen niemals Wirklichkeit werden.
Seien Sie bereit zu scheitern
Wenn wir in das Muster verfallen, die Fehler unserer Vergangenheit zu verbergen, dann legen wir damit den Grundstein für einen langfristigen Stillstand in unserem Leben. Wir müssen willens sein zu sagen, „Wenn ich in dieser Sache versage, ist das ok. Ich bin ein Mensch. Ich muss nicht perfekt sein. Ich kann versagen und geradewegs weiter machen.“
Ich hatte einige spektakuläre Misserfolge in meinem Leben, ich wurde von der Schule geworfen, mehrmals inhaftiert und ich ging bankrott. Und ich bin noch immer da, ich habe das Leben nicht aufgegeben.
Wenn Sie Ihre Beschämung nicht mit anderen teilen können, dann reden Sie sich damit selbst ein, dass Scheitern etwas Böses ist... dass Scheitern etwas ist, was Sie um jeden Preis verhindern müssen. Aber was ist mit Ihren zukünftigen Misserfolgen? Werden Sie sich gezwungen fühlen, diese ebenfalls zu verstecken? Bedeutet das, dass Sie manche Dinge nicht einmal versuchen werden wenn Sie im Vorhinein schon wissen, dass Sie Ihre Fehler nicht verheimlichen können?
Wenn Sie schon versagen, warum dann nicht richtig spektakulär in aller Öffentlichkeit – damit alle es sehen können? Machen Sie Ihre Misserfolge zu einem richtigen Event. Lassen Sie andere Menschen aus Ihren Fehlern lernen. Lassen Sie andere sehen, dass Sie schließlich ja ein Mensch sind. Als Ergebnis werden Sie wahrscheinlich neue Freunde und Verbündete finden.
Scheitern ist nicht etwas, was vermieden werden muss. Es gehört ganz natürlich zum Leben dazu. Sich gegen Fehler zu wehren bedeutet, sich gegen das Leben zu wehren.
Das Scheitern ist unser bester Lehrer. Wir lernen viel mehr aus Fehlern als aus Erfolgen.
Ich habe gelernt, erfolgreich ein Geschäft zu führen indem ich viele Jahre im Geschäft gescheitert bin. Lektion: Vergessen Sie es, nur ans Geld zu denken und konzentrieren Sie sich stattdessen nur darauf, anderen Menschen einen Nutzen zu bringen. Das Geld kommt von selbst. Geld ist nur ein Mittel, um Nutzen auszutauschen, wenn ich also Nutzen im Überfluss produzieren und teilen kann, darf ich im Austausch dafür auch Überfluss genießen.
Ich habe bessere soziale Kompetenzen entwickelt, da ich selbst jahrelang mit mittelmäßiger sozialer Kompetenz zu kämpfen hatte. Lektion: Hören Sie auf zu versuchen, neue Freundschaften zu knüpfen. Gehen Sie statt dessen davon aus, dass jeder Mensch dem Sie begegnen bereits Ihr bester Freund ist. Genau so wollen Menschen behandelt werden. Versuchen Sie nicht das Eis zu brechen; gehen Sie davon aus, dass da kein Eis ist.
Was verstecken Sie?
Egal was Sie verstecken, Tatsache ist, dass irgend jemand anderer bereits etwas viel Schlimmeres geteilt hat. Wenn ein Auftragsmörder öffentlich über die dutzenden Morde, die er begangen hat, sprechen kann, dann können Sie sicher offen über Ihre Magersucht, eine missbräuchliche Beziehung oder Ihre Sucht nach Internetpornos sprechen. Viele Menschen haben bereits Ihre Geschichten zu solchen Themen geteilt und sie konnten so anderen Menschen mit ähnlichen Herausforderungen helfen. Warum nicht auch Sie?
Brauchen Sie die Erlaubnis das zu tun? Okay, hiermit erlaube ich Ihnen, menschlich zu sein. Sie haben das Recht ein totaler Versager zu sein. Sie haben das Recht, die politisch unkorrektesten Gedanken zu hegen. Sie haben das Recht mit den gesellschaftlich am wenigsten akzeptierten Süchten zu kämpfen. Und Sie haben das Recht, das alles öffentlich zuzugeben.
Werden Sie verurteilt wenn Sie in die Öffentlichkeit gehen? Sicher, höchstwahrscheinlich. Ich werde manchmal auseinandergenommen für Dinge, die ich geschrieben habe. Manche Menschen sehen meine Fehler als Einladung, mich zu verurteilen. Da ich in meiner späten Jugend ein Dieb war, muss ich auch heute noch einer sein, jemand der die Leute heimlich abzockt oder Quaksalber-Medizin und ähnliches verkaufen will. Weil ich aber akzeptiert habe, wer ich bin, mitsamt meiner Vergangenheit, können diese Menschen mich nicht treffen. Ich sehe deren Kritik als Kritik an sich selbst, die nichts mit mir zu tun hat. Ich denke es ist okay, ein wenig kritisiert zu werden da die Vorteile, diese Geschichten zu teilen die Nachteile bei weitem überwiegen, vor allem in Hinblick auf die neuen Freundschaften, die ich gewonnen habe.
Und wenn jemand mich für das, was ich bin oder das, was ich tue, ablehnt, dann sage ich, „Lass uns getrennte Wege gehen, damit jeder von uns weiter kommt.“ Es tut gut unser Leben von nicht hilfreichen Beziehungen zu reinigen, damit wir uns auf freudvollere, besser passende Verbindungen konzentrieren können.
Wenn Sie Angst haben Freunde und Kontakte zu verlieren wenn Sie sich outen, dann unterstelle ich, dass Sie versuchen an Beziehungen festzuhalten die es nicht wert sind, aufrecht erhalten zu werden. Beziehungen die Sie davon abbringen, zu sich selbst ehrlich zu sein, sind missbräuchliche Beziehungen. Sie sind wirklich viel besser beraten, wenn Sie solche Beziehungen loslassen.
Ich genieße es, dass ich mir keine Sorgen darüber machen muss, dass jemand in meiner Vergangenheit wühlen und irgend eine peinliche Geschichte aufdecken könnte, die mein mühevoll aufgebautes öffentliches Image vernichtet. Ich kann in der Öffentlichkeit ganz frei die selbe Person sein, wie privat. Ich muss mich nicht abschirmen. Überlegen Sie mit wie viel Stress es verbunden wäre zu versuchen, ein falsches Image aufrecht zu erhalten. Es ist kein Wunder, dass so viele Prominente zu Drogen greifen.
Raus damit, raus damit, egal was es ist
Sie müssen Ihre schmerzlichsten Geschichten nicht alle auf einmal mitteilen. Sie können sich ganz sanft heran tasten. Anstatt zu versuchen über Nacht authentisch zu werden, konzentrieren Sie sich darauf, einfach authentischer zu werden. Erzählen Sie etwas, was Ihnen ein bisschen peinlich ist, was Sie aber nicht umbringt wenn Sie es jemandem erzählen. Hören Sie sich die Rückmeldung an, die Sie bekommen. Fühlen Sie danach so etwas wie Erleichterung? Fühlen Sie sich dem anderen Menschen mehr verbunden? Fühlen Sie sich ein wenig freier und offener? Fühlen Sie sich weniger gestresst?
Für jede peinliche Geschichte von der Sie sich nicht vorstellen können, Sie jemals öffentlich zu teilen, sagen Sie einfach nur zu sich selbst, „Ich weiß, das ist eine sinnlose Blockade der Liebe, aber ich habe noch nicht die Kraft, sie loszulassen. Ich habe jedoch die Absicht, ein Mensch zu werden, der das irgendwann kann und damit seinen Kummer in Freude verwandelt.“
Der Friede sei mit Ihnen ...
Übersetzung von ProblemImGriff, Original von Steve Pavlina:
„Share Your Shame“
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